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Mit Goethe und Aristoteles   
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J. W. v. Goethe
Aristoteles
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Zur Eröffnung der Ausstellung in Weimar am 22. 03. 2005
(Vortrag von Dr. Stefan Bleecken)

    Dem körperlichen Tod Goethes, der sich heute jährt, folgte der geistige Tod desjenigen Teils seines Werks, den Goethe für seine wichtigste Lebensleistung gehalten hat; die Rede ist von Goethes Farbenlehre. Die Farbenlehre ist mit Unmengen geistigen Schutts zugeschüttet worden, so dass sie heute kein öffentliches Interesse mehr hervorruft. Goethe-Experten halten sie für eine mehr oder weniger peinliche Marotte Goethes, die Stiftung Weimarer Klassik als Bewahrerin des Goetheschen Erbes disqualifiziert dieses Werk, in das Goethe nach eigenen Bekundungen „die Mühe eines halben Lebens hineingesteckt“ hat, als seinen „lebenslangen Spleen“. - Goethe läßt sich wohl am besten ehren, indem man mit dem Versuch beginnt, den Schutt beiseite zu räumen und seine Farbenlehre dem öffentlichen Interesse wieder zugänglich zu machen.

    Goethes im Jahre 1810 veröffentlichte Werk „Zur Farbenlehre“ ist untrennbar verbunden mit dem sogenannten Farbenstreit, den es ausgelöst hat. Dieser Streit zwischen Goethe einerseits und Newton bzw. dessen Anhängern andererseits kennzeichnet ein spannendes, aber bisher unbewältigtes und unvollendetes Kapitel der abendländischen Geistesgeschichte.

    Goethes Kontrahent, der englische Physiker und Mathematiker Isaac Newton lebte hundert Jahre vor Goethe und sein Hauptwerk "Mathematische Prinzipien der Naturlehre" war wohl das folgenreichste wissenschaftliche Werk, das je geschrieben wurde. Es markiert die Geburt einer neuen, auf Mathematik aufbauenden Naturwissenschaft und gleichzeitig den Beginn eines neuen Zeitalters, das auf den Schultern dieser Wissenschaft errichtet wurde und das sich heute „modern“ und „wissenschaftlich“ nennt.

    Goethe war der erste und bisher auch der einzige Denker, der nachgewiesen hat, dass Newton ein verhängnisvoller Denkfehler unterlaufen ist. Überwältigt vom Erfolg seiner mathematischen Theorie der Mechanik, die sowohl im Kosmos als auch auf der Erde Gültigkeit besitzt, glaubte Newton, dass alles, was existiert, sich mit mathematischen Gleichungen beschreiben, d h. „sich rechnen“ läßt. Dieser Denkfehler, der von der Newtonischen Wissenschaft, die sich heute „moderne Naturwissenschaft“ nennt, zu einem zentralen Dogma erhoben wurde, ist von Goethe als „Newtonischer Irrtum“ bezeichnet worden. Der Ausspruch „Es muss sich rechnen“ hat sich zu einem geflügelten Wort und schließlich zu einem Totschlagargument unserer Zeit ausgebildet.

    In seiner Farbenlehre hat Goethe den „Newtonischen Irrtum“ aufgedeckt, indem er den wissenschaftlichen und von jedermann nachvollziehbaren Beweis erbracht hat, dass die Gesetze des menschlichen Farbensehens real existieren und durch einen Farbenkreis dargestellt werden können; diese Gesetze lassen sich nicht mit mathematischen Mitteln beschreiben, sie entziehen sich daher der Erkenntnissuche der modernen Naturwissenschaft. - Mit seiner Farbenlehre wollte Goethe „den Newtonischen Irrtum ein für allemal aus der Welt schaffen“. Um zu verstehen, warum er mit diesem Vorhaben gescheitert ist, muss man sich vergegenwärtigen, dass sich Goethe einer geistigen Supermacht in den Weg gestellt hat, der Mittel und Wege zur Verfügung standen, selbst einen Wissenschafts- und Zeitkritiker Goethe zum Schweigen zu bringen und einer breiteren Öffentlichkeit vorzuenthalten.

    Heute gibt es keine ernstzunehmende Wissenschaft von der Farbe. Eine solche Wissenschaft ist erst möglich durch die von Goethe unter Mitwirkung des philosophischen Sachverstandes von Schiller vorgenommene gedankliche Trennung des Farbreizes (von Goethe als physische und chemische Farbe bezeichnet) von der Farbempfindung (als physiologische Farbe bezeichnet). Der Farbreiz wird vom Licht verursacht und gehört in das Gebiet der physikalischen Optik. Die Farbempfindung gehört allein dem Sehorgan des (farbentüchtigen) Menschen an, für sie ist eine völlig neue, von Goethe begründete und von ihm als „Farbenlehre“ bezeichnete Wissenschaft mit eigenen Gesetzen zuständig. Außer der gedanklichen Unterscheidung von Farbreiz und Farbempfindung hat Goethe eine weitere Grundlage geschaffen, um die Gesetze des Farbensehens aufzufinden: die Durchführung von Experimenten mit sogenannten „Gegenfarben“; dies sind Farbempfindungen in quasi reiner (d.h. nicht an den Farbreiz gekoppelter) Form. Goethe hat als erster erkannt, dass die Gegenfarben nichts Zufälliges an sich haben und keine reine Einbildung ohne Wirklichkeitsbezug sind, sondern „unmittelbar nach einem unwandelbaren Naturgesetze“ vom menschlichen Sehorgan hervorgebracht werden.

    Das Hauptanliegen der Ausstellung zu Goethes Farbenlehre besteht darin, Sie als Ausstellungsbesucher mit dem Phänomen der Gegenfarben bekannt zu machen und Sie zu befähigen, durch Selbstversuche die Gesetze des menschlichen Farbensehens zu entdecken. Diese Gesetze lassen sich ohne die geringsten mathematischen und physikalischen Vorkenntnisse, ohne Messungen und Berechnungen auffinden. Mit dem Auffinden dieser Gesetze ist jedermann in der Lage, das zentrale Dogma der modernen Naturwissenschaft zu widerlegen.

Die folgende Videopräsentation „Experimente zu Goethes Farbenlehre - Eine Entdeckungsreise in das Reich der Sinne“ sowie die in der Ausstellung gezeigten Bildtafeln sollen den Betrachter zur Selbsterfahrung des Phänomens „Farbe“ und zur Auffindung der Farbengesetze hinführen. Insbesondere soll die Ausstellung Lehrende ansprechen und ihnen eine Anregung vermitteln, auf welche Weise Goethes Farbenlehre experimentell in den Schulunterricht eingeführt werden kann. Didaktisch aufbereitete Experimente mit Farbempfindungen sind als ein notwendiger Gegenpol zu den gängigen Experimenten anzusehen, wie sie im Physik- oder Chemieunterricht mit Apparaten und Chemikalien durchgeführt werden, damit der Schüler ein Stück Welt außerhalb seiner selbst erforschen kann – Experimente mit Farbempfindungen führt der Lernende mit sich selbst durch, um ein Stück seiner selbst zu erfahren und zu verstehen. Diese Selbsterfahrung vermittelt, wie kaum etwas anderes, eine Ahnung für das Wunder des eigenen Menschseins in dieser von der „modernen Naturwissenschaft“ entzauberten Welt!

                                                                                                  Stefan Bleecken, Weimar


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